Als Apple im Herbst 2012 einen eigenen Kartendienst lancierte, erntete das Unternehmen weltweit harsche Kritik für die mangelhaften Darstellungen. Es waren just diese Fehler in den 3D-Stadtansichten von Apple Maps, die Regula Bochsler zum Projekt «The Rendering Eye» inspirierten.
Apple Maps beruht auf einem unfassbaren Datenstrom und ist trotz offenkundiger Fehler die zur Zeit wohl technologisch anspruchsvollste und aktuellste Form, um urbane Räume in 3D abzubilden. Je nach Position, die der User wählt, bietet ihm die flyover-Funktion andere Einblicke und Perspektiven. Die maschinengenerierten Renderings sind auf eine noch nie gesehene Weise «malerisch». Sie zeigen Strassen, Gebäude und Industrieanlagen ohne Menschen. Autos und Schiffe werden zu Schatten, Bäume verpuppen sich zu Skulpturen. Architektur und Natur erscheinen real und surreal zugleich, denn von den Details der «Wirklichkeit» sind die Algorithmen überfordert. Das Urbane wird jenseits allen «Lebens» als Struktur erkennbar, ebenso abschreckend wie schön, vertraut und fremd zugleich, auch weil uns die Perspektive des Fussgängers verweigert wird. Das Programm erzeugt eine Beobachterperspektive von ausserhalb und von oben ähnlich den Kupferstichen von Matthäus Merian, der im Zeitalter des Absolutismus erstmals europäische Städte aus der Herrscherperspektive von oben präsentierte.
Folgt man dem Diktum des deutschen Medientheoretikers Friedrich Kittler, Medien seien grundsätzlich «Missbrauch von Heeresgerät», verwundert es nicht, dass Apple Maps auf einer Software basiert, die ursprünglich für die Zielsuche von Raketen und Granaten entwickelt wurde. Seitdem Apple diese Software 2011 gekauft hatte, sind aber kaum Informationen verfügbar, auf welche Art die Karten generiert werden. Man weiss nur, dass die 3D-Visualisierungen auf von Flugzeugen aus gemachten Fotografien basieren.
Dass Apple gegenwärtig an der Verfeinerung seiner Kartensoftware arbeitet, erhöht wohl deren Nützlichkeit, kündet aber auch schon das Ende ihrer besonderen Bildqualität an: In wenigen Jahren werden die Datenströme nochmals um ein Vielfaches umfangreicher, die Rechnerprozesse verfeinert und die Visualisierung der Wirklichkeit so perfekt sein, dass die 3D-Stadtansichten zum platten Abbild werden, nicht mehr zu unterscheiden von einer Fotografie. Angesichts dieser Entwicklung sind die screen shots von Regula Bochsler bereits heute eine Erinnerung an eine zukünftige Vergangenheit, als computergenerierte Stadtansichten noch «malerisch» waren.
Das Projekt «The Rendering Eye» wirft einen neuen Blick auf die Stadt und legt die Strukturen zeitgenössischer urbaner Räume frei. Es thematisiert die Navigations- und Visualisierungstechnologien, die der zivilen, polizeilichen und militärischen Überwachung dienen und zunehmend auch unseren Alltags prägen. Und es fragt nach dem Einfluss der rasanten Digitalisierung auf die Art und Weise, wie wir die Welt sehen.
Zeitgleich zur Ausstellung erscheint bei Edition Patrick Frey die Publikation The Rendering Eye. Urban America Revisited von Regula Bochsler und Philipp Sarasin.
Mehr zu den Herausgebern auf www.regulabochsler.ch und www.philippsarasin.ch
Mehr zum Projekt auf www.renderingeye.ch
Die im Archktekturforum gezeigten Bilder sind Werke von Regula Bochsler, die auf der Kartensoftware von Apple Maps basieren. Apple Maps ist eine eingetragene Marke von Apple, Inc. Kontakt: regula.bochsler@gmail.com